Februar 2011:
Philosophische Gespräche mit Kindern –
über Natur – Ethik – Energie
Besuche von Hans-Joachim Müller im Auftrag der Organisation Leuchtpol
im Kinderhaus Astrid Lindgren
Leuchtpol – Gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung von Umweltbildung im Elementarbereich – arbeitet zurzeit am Projekt „Energie und Umwelt neu erleben - Bildung für nachhaltige Entwicklung im Kindergarten“. Die Arbeit von Leuchtpol wird wissenschaftlich von dem Institut für integrative Studien (infis) der Leuphana Universität Lüneburg begleitet. (mehr Infos unter www.leuchtpol.de)
In ihrem Auftrag führt Hans Joachim Müller in Kindertageseinrichtungen Gesprächsrunden mit Kindern durch.
Herr Müller ist Grundschullehrer im Ruhestand und hat eine langjährige Erfahrung mit dem Philosophieren als Unterrichtsprinzip, als Grundhaltung in Kindertageseinrichtungen und in der Erwachsenenbildung.
Im Bereich mehrerer Fortbildungen, Fachtagungen und einem gemeinsamen Teamwochenende der beiden städtischen Kinderhäuser haben wir seine Arbeit kennen gelernt.
In der zweiten Januarwoche (12. bis 14. Januar 2011) hat er in den beiden städtischen Kinderhäusern Gesprächsrunden geführt. Begleitet wurde er von Susanne Schubert, die das Projekt bei der Organisation Leuchtpol leitet.
Die pädagogischen Fachkräfte hatten die Chance als Beobachterinnen den philosophischen Gesprächen beizuwohnen – einerseits konnten wir viel von Herrn Müller lernen, andererseits war es für uns spannend, wie unsere Kinder in die Gespräche eingestiegen sind.
Philosophieren ist Sprachförderung in „Reinform“ – Philosophieren regt an zum Denken, Nachdenken, Fragen, Hinterfragen, Weiterfragen, Neugierig sein, Sprache entdecken, seine Gedanken in Worte fassen und anderen mitteilen – es gibt kein Richtig und kein Falsch, es ist das Forschen nach dem Sinn, die Suche nach der Frage hinter der Frage…
Angeregt durch diesen ersten Kontakt mit unseren Kindern, schlugen Hans-Joachim Müller und Susanne Schubert vor, professionelle Filmaufnahmen für das Leuchtpol-Projekt in den beiden städtischen Kinderhäusern zu machen.

Am 10. Februar „probierte“ Herr Müller mit einer festen Kindergruppe verschiedene Spielszenen u. a. zu folgenden Themen:
- Energie / Wer hat mehr Energie, die Lampe oder ich? - SPIELSZENE: Woher nimmt die Lampe ihre Energie und woher ich?
- Verhältnis Mensch-Natur -Umwelt / Kann man mit einem Baum befreundet sein? - SPIELSZENE: Ein sprechender Baum als Freund

Diese Form der Auseinandersetzung mit den Themen, machte unseren Kindern viel Spaß und diente zur Vorarbeit für die Filmaufnahmen. Die Kinder sollten während der Aufnahmen nicht mit etwas völlig Neuem konfrontiert werden.
Am 15. Februar war es dann soweit, die Eltern der mitwirkenden Kinder hatten zuvor ihr Einverständnis gegeben und dann begann ein spannender Tag!
Zwei Kameramänner, ein Toningenieur, eine echte Regisseurin, Hans-Joachim Müller und Susanne Schubert kamen am Vormittag ins Kinderhaus und die Filmaufnahmen konnten beginnen.

In unserem Haus wurden letztendlich zwei verschiedene Gesprächskreise gefilmt:
- Kann man mit einem Baum befreundet sein? – Wie geht es einem Baum, wenn er ein Baumhaus in der Krone trägt?

- Begriffsbestimmung „Natur“ – anhand von Sortierungen verschiedener – unterschiedlichster Gegenstände

Anschließend fanden sowohl Kinder-, wie auch Erwachseneninterviews zum Verlauf des Vormittags statt.
Ebenso zeigten die Kinder unser „Baumhaus“ auf dem Außengelände, auch hier wurde gefilmt.
Die „probierten“ Spielszenen wurden am Nachmittag im Kinderhaus Maria Sibylla Merian aufgenommen.
Diese „Philosophier-Erlebnisse“, sind etwas Besonderes gewesen, den philosophischen Ansatz haben wir in unserer überarbeiteten Konzeption, die bald veröffentlicht wird, fest verankert.
Hier schon mal eine Leseprobe:
Die Kultur der Nachdenklichkeit pflegen
- den Fragen Raum geben – selber denken macht schlau – die Frage hinter der Frage spüren - ein philosophischer Ansatz!
„Philosophieren ist die Kunst im richtigen Moment die richtige Frage zu stellen.“ Eva Zoller
In den Zeitraum des Spracherwerbs fällt auch die Zeit der vielen Fragen unserer Kinder. Sie sind der Schatz jeglicher Entwicklung, sie sind der Antrieb für Neugierde und Wissensdurst. Besonders die vielen WARUM-Fragen, veranlassen Erwachsene häufig dazu vorschnelle Antworten zu geben, die das Kind oftmals gar nicht hören will, denn es fragt einfach weiter.
Im Kinderhaus begegnen wir den Kinderfragen mit einem philosophischen Ansatz. Wir versuchen den Kindern Raum zu geben, die Antwort selber zu finden. Somit ist das Philosophieren mit Kindern sowohl eine pädagogische Grundhaltung, wie auch gelebte Sprach- und Entwicklungsförderung. Wir wenden das sogenannte „Hebammen-Prinzip“ nach Sokrates an – wir holen das hervor, was im Kopf bereits vorhanden ist. Hierdurch unterscheiden sich Wissens- von Sinnfragen der Kinder. Eine einfache Gegenfrage, wie:
Was meinst du denn? oder Was denkst du? bringt oft Erstaunliches ans Licht. Durch gezieltes Weiterfragen des Erwachsenen kann das Kind zum tiefen Nachdenken angeregt werden. Philosophische Fragen öffnen neue, unbekannte Dimensionen, veranlassen zur Selbstreflexion und fördern das selbstständige und selbstkritische Denken. Philosophische Gespräche fördert die Entwicklung einer Gesprächskultur und erweitert die Fragekompetenz der Kinder. Kinder (und Erwachsene) entdecken Gesprächsanlässe, sie werden mit ihren Aussagen ernst genommen, sie werden mutiger ihre Fragen zu formulieren.
Es gibt viele Anlässe zum Philosophieren im Kinderhaus-Alltag:
Gespräche jeglicher Art –
- im Sitz- oder Stuhlkreis
- Einzel- und Spontangespräche
- Gespräche zu Bildern, Bilderbüchern und Geschichten
- bewusst eingebrachte Themen aus allen Bildungsbereichen (Mathematik, Naturwissenschaften, Musik usw.) als Denkprovokation
- Aussagen von Kindern aufgrund von Erkenntnissen, Erfahrungen, Erlebnissen usw.
- durch das Staunen über Phänomene
„Philosophieren mit Kindern ist Bildungsarbeit: Die kindliche Frage und die Annäherung an die Antwort sind ein Bildungsprozess, der vom Erwachsenen dialogisch unterstützt und begleitet werden kann. Gemeinsames Philosophieren wird den Interessen der Kinder gerecht und fördert ihre Denkfähigkeit.“ Dieter Sinhart-Pallin, aus kindergarten heute 8/2006